Aussenhaltung oder Innenhaltung?

Dieses Thema im Forum "Haltung" wurde erstellt von Ursi, 11. Juni 2008.

  1. Ursi

    Ursi Erfahrener Benutzer

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    Hoi mitenand

    Als ich das gelesen habe (und übrigens auch schon mal auf einer Züchterhomepage hier gesehen habe), hat mich diese Forderung wie Sissilein zuerst ganz schön auf die Palme gebracht, und als mein erster Satz stand da: Seit wann, bitteschön, ist Aussenhaltung ein Garant für die artgerechte Haltung von Meerschweinchen? Wäre es da nicht sinnvoller für die Tiere, in erster Linie auf die Platzverhältnisse, die Gruppenzusammenstellung, die Ausstattung, die Nahrungsbereitstellung und die Pflegebereitschaft bei dem zukünftigen Halter zu achten?

    Nach reiflicher Überlegung und Kontaktierung der Homepage bin ich dann jedoch zum Schluss gekommen, dass Nicole ja eigentlich nur den Gewohnheiten der Tiere Rechnung tragen will und gar nicht grundsätzlich Innenhaltung ablehnt. Sie hätte das einfach etwas unmissverständlicher formulieren können.

    Den Notmeeris wünsche ich einfach schöne Lebensplätze!

    Liäbä Gruäss

    Ursi
     
  2. Aika

    Aika Administrator Mitarbeiter Admin

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    Hoi zäme

    @Ursi, ich hoffe, Du nimmst es mir nicht krumm, dass ich Dein Posting "missbraucht" habe, um ein neues Thema zu eröffnen.
    Hier ist der Zusammenhang zu finden, da es ursprünglich um einen Vermittlungs-Thread ging.

    Das Thema Innen- "gegen" Aussenhaltung haben wir zwar schon x-fach diskutiert, aber da ja immer wieder neue User dazukommen, schadet es nichts, wenn wir dieses Thema nochmals aufgreifen:

    Viele Meerie-Halter verknüpfen mit dem Begriff "Innenhaltung" die alte Sichtweise der Käfig-Haltung. Das ist jedoch in 99% aller Fälle nicht gemeint, sondern die meisten hier aktiven User betreiben keine Käfig-Haltung, sondern eine Gehege-Haltung, egal, ob draussen oder drinnen.

    Deshalb muss man etwas von der alten Sichtweise "Innenhaltung" = schlecht, zu wenig Platz, Käfig und "Aussenhaltung" = gut, artgerecht, genügend Platz" abrücken, weil das schlichtweg schon lange nicht mehr stimmt (in den meisten Fällen jedenfalls).

    Es ist ein Irrtum zu behaupten, Aussenhaltung sei "artgerecht", denn die Aussenhaltung unserer Meeries, welche ursprünglich aus dem trockenen, sterilen (UV-Licht!), kargen Klima in den Anden stammen, kann man niemals mit den feuchten, kalten, langen Wintern in unseren Breitengraden und dem fetten Gras im Sommer vergleichen.
    Das hat mit der Lebensweise in den Anden herzlich wenig zu tun. Deshalb kann man nicht Aussenhaltung mit "artgerecht" gleichsetzen.

    Artgerecht kann man nur auf die Lebensweise in der Familiensippe mit grosszügigem Platzangebot, freier Bewegung auf möglichst grosser Fläche (nicht Etagen und Kletter-Rampen!) beziehen. Diese artgerechte Haltung ist jedoch sowohl aussen wie auch innen möglich und machbar, was viele Haltungen beweisen.

    Die Aussenhaltung stellt eben mehr Anforderungen an den Bau, die Betreuung und den Zeitaufwand dar, ist jedoch nicht artgerechter als eine ebenso grosszügige Innenhaltung.

    Ich selber hielt meine Meeries 12 Jahre lang in Aussenhaltung mit entsprechend viel Aufwand natürlich, im Winter mit zusätzlichen Rotlichtlampen, im Sommer mit einem Tunnel-Laufgang ins Gartengehege und wieder zurück, etc.
    Alle meine Meeries waren gesund und munter und genossen diese Haltung in der Gross-Gruppe.
    Seit ich umgezogen bin, leben sie in einer grosszügigen Innenhaltung (alles Bodengehege ohne Rampen oder Etagen) auf 16 m2 in einem eigenen Zimmer im Sockelgeschoss, ungeheizt mit Ganzjahres-Temperaturen zwischen min. 10 Grad im Winter bis maximal 25 Grad im Sommer.
    Das ist sozusagen ein Kompromiss zwischen Innen- und Aussenhaltung, denn ich halte sie bewusst nicht im geheizten Wohnzimmer.

    Deshalb möchte ich beim Stichwort "artgerecht" sehr viel stärker auf die Rudel-Haltung, den Platzbedarf und die grosse Fläche fokussieren. Ob diese Haltung dann schliesslich draussen oder drinnen aufgebaut wird, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle.

    Ich habe schon Aussenhaltungen gesehen, die klein, völlig verdreckt und nass waren mit winzigen Schlafhäuschen... solche Haltungen kann man beim besten Willen nicht als artgerecht bezeichnen, obwohl es "Aussenhaltungen" sind.
    Für die Aussenhaltung braucht es enorm viel Sachverstand, Geld und Zeitaufwand, um sie seriös betreiben zu können.
     
  3. Kiara

    Kiara Erfahrener Benutzer

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    Ich kann Aikas Beitrag voll und ganz unterschreiben.

    Ich hab dieses Jahr Charline zu mir genommen, eine 6jährige Meerschweinchendame, die bisher in Aussenhaltung gelebt hat. Dass sie diese Haltungsform überlebt hat, erstaunte mich und den Tierarzt.

    - seit einem halben Jahr alleine, d.h. sie hat den ganzen Winter alleine draussen gelebt
    - hat vor allem handelsübliches, billiges Trockenfutter gekriegt, dazu täglich ein kleines bisschen Gemüse und Heu. Sie hätte ja genüngend Gras zur Verfügung
    - Das Gehege war nicht richtig geschützt: Zweimal war ein Schäferhund im Gehege
    - Kontrolliert und richtig beobachtet wurde sie auch nie
    - Die Kinder haben Charline immer wieder reingenommen, damit sie mit ihr spielen können

    Die Folgen davon:

    - Charline hatte einen extremen Hautschuppenbefall, der durch die einseitige Ernährung kam
    - Sie war sich kaum Gemüse gewöhnt, Heu schon fast gar nicht (Heu und Stroh waren staubig und mehr grau als grün/gelb)
    - Ihre Füsse waren wundgelaufen
    - Sie ist immer noch sehr schreckhaft

    Bei mir lebt Charline mit drei anderen Meerschweinchen in einem knapp 6 m2 grossen Gehege. Die Fütterung beinhaltet zwei mal täglich Gemüse, Gras im Sommer, Heu und Zweige. Die Füsse sind wieder in Ordnung, das Fell glänzt und die Schuppen ist sie auch los. Inzwischen frisst sie auch schon ordentlich Gemüse und Heu.

    Und Charline ist kein Einzelfall. Ich kenne viele Aussenhaltungen, in denen die Tiere auf zu wenig Platz im Dreck leben müssen.
    Meine Innenhaltung ist da wesentlich artgerechter, da genügend Platz, Artgenossen und eine artgerechte Fütterung vorhanden ist.
    Wenn ich von meiner Haltung spreche, spreche ich immer von meinem Gehege, denn mit einem Käfig hat das nichts mehr zu tun. Die Tiere sind ein Teil von meinem Leben und meinem Lebensraum. Viele Leute glauben mir nicht, dass ich meinen Meerschweinchen in einer Innenhaltung genügened Platz geben kann und ihnen fallen fast die Augen aus dem Kopf, wenn sie mein Innengehege sehen.

    Ich denke, man muss immer die jeweilige Haltung anschauen und dann entscheiden, was nun artgerechter ist. Ich habe nichts gegen eine seriös betriebene Aussenhaltung, aber für mich überwiegen die Vorteile einer Innenhaltung.
     
  4. Lizzy

    Lizzy Erfahrener Benutzer

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    Hoi zäme

    für mich sind weder Ernährung noch der Platz oder Dreck (bzw Sauberkeit) ein Kriterium für Innen- oder Aussenhaltung, da man diese 3 Punkte in beiden Varianten artgerecht gestalten kann. Das hat nichts mit Aussen- oder Innenhaltung zu tun, sondern mit dem Tierbesitzer!

    Liebe Grüsse
    Lizzy
     
  5. Ursi

    Ursi Erfahrener Benutzer

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    Hoi mitenand

    @Aika, natürlich nehme ich dir das nicht krumm. Warum auch? Ganz im Gegenteil.

    Ich habe eigentlich gehofft, dass diese Diskussion "Aussen- und Innenhaltung" irgendwann hier wieder hier auftauchen wird und werde eure Erfahrungen dazu mit grösstem Interesse verfolgen. Selbst dazu äussern kann ich mich da als ausgewiesener "Meerinichtexperte" aber nicht.

    Aber ich hätte da eine Frage zur Innenhaltung. Gehen wir einmal von einer 4 m2 grossen Fläche, ein Vivarim, aus. Warum ist es denn generell besser, eine gerade Fläche von 2 x 2 m zu haben, als z.B. zwei Gehege mit je 2 m x 1 m, evt. auf verschiedenem Höheniveau, über eine Rampe miteinander verbunden?

    Die Meerschweinchen können ja bei beiden Varianten nicht mehr als 2 m aneinander gerade aus laufen, ohne die Richtung wechseln zu müssen. Und ich bin gerade erst letzte Woche zufällig auf eine Studie über Meeris gestossen, wo zu lesen war, dass Rampen und Brücken in Gehegen sinnvoll und wünschenswert wären, da sie die Bewegungsfreudigkeit der Tiere fördern würden. Wildlebende Meerschweinchen müssen ja sicher auch über Hindernisse klettern. Ausserdem meiden sie instinktmässig offene Flächen und benutzen stattdessen schmale, möglichst gedeckte Wege, auf ihrer Nahrungssuche. Warum ist eurer Meinung nach trotzdem eine gerade Fläche zu bevorzugen?

    Liäbä Gruäss

    Ursi
     
  6. Kiara

    Kiara Erfahrener Benutzer

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    Meerschweinchen benötigen eine möglichst lange Rennstrecken. Ein Meerschweinchen braucht 1.5 m bis es richtig durchstarten kann (zum Rennen).
    Nimmt man nun ein Gehege, das 2 x 2 m ist, dann können sie sowohl in die Länge als auch in die Breite rennen, was ihnen viel mehr Bewegungsfreiheit gibt. Zusätzliche Etagen sind natürlich willkommen.
    Ich habe eine 3 Meter lange Rennstreck und habe bemerkt, dass die Tiere das auch wirklich brauchen und wollen. Die Etagen nutzen sie zusätzlich sehr gerne. Sie haben sonst Hindernisse im Gehege, wie Steine oder grosse Holzstücke. Auch auf die Häuschen können sie ohne Probleme springen.
    Meiner Meinung nach sollte immer beides vorhanden sein: Eine möglichst grosse Grundfläche (mindestens 1.5 m lang, 1 m breit) und Etagen, auf die sie auch hüpfen können.
    Gut strukturiert muss natürlich jedes Gehege sein.
    Aber ich werde immer eine möglichst grosse Grundfläche wählen, da ich einfach gesehen habe, wie sehr die Tiere diese brauchen. Ich hatte vorher Gitterkäfige mit zwei Ausläufen dran und die Tiere waren nie so lebhaft wie nun im grossen Bodengehege.
     
  7. Aika

    Aika Administrator Mitarbeiter Admin

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    Wie schon Kiara sagte, ist es wichtig, dass sie richtig lange Rennstrecken haben.

    Rampen und Brücken sind vor allem in kleinen, schmalen Käfigen oder Schrank-Bauten kritisch, weil diese auf zu kurzer Fläche aufgestellt werden müssen und deshalb häufig viel zu steil sind.
    Gegen eine lange, rel. flache Rampe ist nicht viel einzuwenden, aber in einem Käfig oder zu kleinen Gehege ist dies nicht möglich.

    Hier ein Beispiel aus meiner vorherigen Haltung am alten Wohnort:
    [​IMG]

    Im Gänsemarsch wird die Rampe erkundet:
    [​IMG]

    Bei allzu vielen Rampen und Brücken sollte man einfach immer daran denken, dass auch quirlige, muntere Jung-Schweinchen irgendwann mal älter werden und dann nicht mehr so flink rauf und runter wieseln können.