Heute Abend ist Galadriel (ca. 8 Monate alt) in meinen Händen qualvoll erstickt. Vor zwei Wochen stellte meine Tierärztin eine starke Lungenentzündung fest. Auf dem Röntgenbild konnte ich sehen, dass die linke Brustseite keine Luft enthielt. Nur noch die rechte Seite war noch voller Luft. So atmete mein Liebling doppelt so schwer. Sie bekam jeden Tag ein Antibiotikum names Baytril (0.5ml) und dazu 2x ein fiebersenkendes Schmerzmittel (Metacam). Galadriel leckte Metacam gerne von meinem Zeigefinger, aber Baytril fand sie einfach total grusig. Ich war verzweifelt, als ich ihr mit der Spritze das Antibiotika ins Maul verabreichen wollte. Jedes Mal lief die Flüssigkeit zum grössten Teil wieder aus dem Mund. Sie war echt widerspenstig, dabei wollte ich ihr doch nur helfen. Da ging ich nochmals zur Tierklinik. Die Tierärztin hörte die Lunge ab und stellte fest, dass die Lunge im Vergleich zur letzten Untersuchung besser klingt. Sie gab mir einige Spitzen, die ich auf den Spritzen stecken musste, damit ich Galadriel besser behandeln kann. Die Ärztin empfahl mir, notfalls nochmals Baytril zu geben, falls viel Flüssigkeit aus dem Maul tropft. Besser mehr als zu wenig. Galadriel biss immer wieder in die Spitzen. Eines Tages biss sie sogar die halbe Spitze (ca. 8mm) ab und schluckte sie. Ich machte mir deswegen echte Sorgen. Mir schossen Wörter wie Erstickung, Magenverletzung, Darmverschluss in den Kopf. Wieder ging ich notfallsmässig in die Tierklinik. "Das ist nicht so schlimm", beschwichtigte die Ärztin mich. Ich konnte nicht glauben. Fast wollte ich eine Röntgenuntersuchung anordnen. Aber meine Vernunft sagte mir, dass ich ein wenig zu hysterisch bin. Sie fragte mich, ob ich ein anderes Antibiotika, und zwar in pastöser Form, haben möchte. Ich fand diese Idee vernünftig und sehr praktisch. Ich bekam auf meinen Wunsch auch noch Bene-Bac zur Stabilsierung der Darmflora (2x 0.5g pro Tag), da ich vermutete, dass Galadriel wegen dem Antibiotika Magenverstimmungen hatte und deshalb keinen grossen Hunger hatte. Mit einem Ohrenstäbchen, das ich vorher mit Wasser befeuchtete, konnte ich das Antibiotika Ibaflin 3% (0.5ml jeden Tag) in Galadriels Maul streichen. Sie schleckte das Zeug mit Ach und Krach runter, aber viel besser als bei Baytril. Ich war zuversichtlich, dass es mit meinem Liebling nur noch aufwärts gehen kann. Galadriel frass manchmal gut, ein anderes Mal weniger. Sie entfernte sich von der restlichen Gruppe, während die anderen Meerschweinchen frassen. Sie blieb schwer atmend in einer Hütte liegen und war irgendwie lustlos. Sie trank kein Wasser. Ich kochte sogar jeden Tag Kamillentee zur Inhalation. Gestern frass sie noch weniger. Heute fast nichts. Sie verlor in den letzten zwei Wochen viel Gewicht (fast 150g). Heute Abend nahm ich Galadriel aus dem Stall. Erstaunlicherweise flüchtete sie nicht. Sie war am Bauch schweissnass. Ich streichelte sie und hatte viel Mitgefühl für sie. Sie war so leicht und so zerbrechlich. Sie atmetet nicht so heftig, eher normal. Ich wusste nicht, ob sie normal atmete oder einfach nur noch schwach. Ich befürchtete das Schlimmste. Sie sass auf meinem Schoss und leckte Metacam halbwegs von meinem Finger. Dann wollte ich ihr Bene-Bac ins Maul geben. Sie drehte ihren Kopf weg. In diesem Moment dachte ich, dass es sehr wichtig ist, dass sie das Zeug nimmt. Deshalb legte ich sie rücklings zwischen meinen hochgestellten Beinen, damit ich sie besser behandeln kann. Sie stemmte sich mit den Hinterpfoten extrem nach oben. Ich strich ihr etwas Bene-Bac seitlich am Maul. Sie wollte wegrennen. Ich beruhigte sie. Ich gab ihr nochmals Bene-Bac ins Maul. Auch da stemmte sie sich mit den Hinterpfoten extrem nach oben, um dem Ohrenstäbchen auszuweichen. Ich fand das merkwürdig. So reagierte sie noch nie. Ich nahm sie in die Hand und beruhigte sie. Sie wackelte mit ihrem Kopf ganz komisch, als würde sie gleich ohnmächtig werden. Ich bekam Panik. Da realisierte ich, dass Galadriel einen extrem trockenen Mund haben musste, da sie ja vorher nichts trank. Also konnte sie Bene-Bac gar nicht schlucken. Ich holte schnell eine leere Spritze, mit Galadriel in meinen Händen. Ich fühlte eine Schale mit Wasser. Ab diesem Zeitpunkt merkte ich, dass Galadriel auf dem Tisch wie betrunken herumlief. Ich wollte ihr Wasser ins Maul geben, damit sie die Paste runterspülen kann. Sie spuckte alles raus. Es war zu spät. Sie erstickte an dem Zeug. Ich fühlte mich so hilflos. Ich öffnete ihren Mund, um ihr irgendwie zu helfen. Ich war den Tränen nahe. Ich legte sie in den Stall. Da bäumte sie sich auf. Ich wollte ihr helfen. Mit Massage, mit Wasser, Mund öffnen. Alles vergebens. Ich rief panisch meine Mutter an. Doch da ich seit Geburt hörbehindert bin, konnte ich gar nichts verstehen, was sie am Handy sagte. Ich flehte um Hilfe und weinte schliesslich. Ich verfluchte meine Hörbehinderung. Ich verfluchte meine Hilflosigkeit. Galadriel zuckte irgendwann ein letztes Mal. Ich nahm sie wieder hoch und sagte, sie solle zurückkehren. In meiner Verzweiflung blies ich sogar meine Atemluft in ihr Maul. Ich bewegte sanft ihren Körper. Es nützte alles nichts. Ich fühle mich verantwortlich für ihren Tod. Warum musste ich ihr Bene-Bac geben? Das Zeug ist ja sehr viskos, also mit Sicherheit schwer zu schlucken. Ich sah in den letzten Tagen nicht, dass Galadriel aus der Flasche trank, obwohl ich öfters nach ihrem Befinden nachschaute. Da musste sie doch dehydriert sein. Warum dachte ich nicht daran? Ich fühle mich so schrecklich. Ich glaube, dass Galadriel schon nach der ersten Bene-Bac-Verabreichung keine Luft bekam. Und doch bemerkte ich nichts davon und machte weiter. Zu diesem Zeitpunkt war mein Gehirn irgendwie wie leergefegt. Jetzt liegt Galadriel auf einer Decke auf dem Tisch und ich habe drei Kerzen angezündet. Ich habe sie lange gestreichelt und habe an das Leben nach dem Tod gedacht. Ich bin sehr überzeugt davon, dass sie im Meerschweinchen-Himmel ist und es dort gut hat. Vielleicht wird sie eines Tages wieder zu mir kommen. Aber manchmal schiessen mir Gedanken durch den Kopf, dass ich nicht gut genug aufgepasst habe. Vorallem heute Abend, als ich sie aufpäppeln wollte. Ich denke immer daran, was ich falsch gemacht habe. Ich versuche mich zu erinnern, was genau passiert ist. Ich weiss nicht, wann der kritische Punkt für Galadriel war. Bin ich nicht aufmerksam genug gewesen? Bin ich nicht sanft genug zu ihr gewesen? Komischerweise wurde ich heute Nachmittag von einer Wespe in den Arm gestochen. Ich sah die Wespe erst, nachdem ich den Stich verspürte. Dabei habe ich mich gar nicht bewegt. Ich wurde vor ca. 34 Jahren von einer Wespe zum letzten Mal gestochen. Das ist schon seltsam. Jetzt glaube ich, dass dieses Ereignis ein Omen war. Galadriel, nur 8 Monate alt, hat mich verlassen. Ich fühle mich so alleine. Sie liegt so steif auf dem Tisch, die Kerzen leuchten noch. Ich werde sie einäschern lassen. Aber diese Schuldgefühle sind immer noch da. Sie bohren in mir. Das macht mich wahnsinnig. Starb Galadriel schlussendlich wegen mir? Dieser Gedanke macht mich fix und fertig. Ich werde diese Nacht kaum noch schlafen können. Es ist erstaunlich, dass ich so viel Text geschrieben habe. Ich gehe wieder zu Galadriel und streichle sie.